Keratine

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Menschliches Haar

Keratin (von griechisch κέρας kéras „Horn“, Genitiv kératos) ist ein Sammelbegriff für verschiedene wasserunlösliche Faserproteine, die von Tieren gebildet werden und die Hornsubstanz charakterisieren. Entsprechend ihrer molekularen Konformation als α-Helix oder β-Faltblatt unterscheidet man α- und β-Keratin.

Keratine sind der Hauptbestandteil von Säugetierhaaren, Finger- und Zehennägeln, Krallen, Klauen, Hufen, Hörnern, Nasenhörnern der Nashörner, Stacheln der Igel, Barten der Wale, Schnäbeln und Federn der Vögel, Hornschuppen und äußerer Panzerbedeckung der Reptilien. Sie bilden die Intermediärfilamente verschiedener Epithelgewebe, einschließlich der Epidermis, und sorgen unter anderem für mechanische Widerstandsfähigkeit.[1]

Struktur und Eigenschaften

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Ihre Faserstruktur verstärkt die Festigkeit der Keratine: Die einzelnen Aminosäureketten bilden eine rechtsgängige α-Helix. Zwei dieser Helices lagern sich zu einer linksgängigen Superhelix und zwei dieser Superhelices beim α-Keratin zu einer Protofibrille zusammen. Mehrere Protofibrillen vereinigen sich zu einer Mikrofibrille, diese lagern sich zu Bündeln zusammen und bilden Makrofibrillen aus. Die Fasern sind umso steifer, je stärker ihre Komponenten durch Disulfidbrücken der Aminosäure L-Cystein quervernetzt sind. So enthält das Keratin in Hörnern und Klauen mehr Disulfidbrücken als das in Wolle und Haaren. Leonor Michaelis entdeckte, dass Disulfidbrücken durch Thioglykolsäure reduziert werden. Dies war die biochemische Grundlage für die Dauerwelle.

Aufbau eines Haars aus Keratin

Vor der Verhornung sowie allgemein in Epithelien der Wirbeltiere und anderer Tiergruppen liegen α-Keratine (oder Cytokeratine) in Form lose organisierter Keratinfilamente vor. Diese gehören zu den Intermediärfilamenten, die zusammen mit Mikrotubuli und Mikrofilamenten das Zytoskelett der eukaryotischen Zellen bilden. Derzeit sind 20 Cytokeratin-Proteine bekannt (siehe Tabelle), deren Molekülmasse zwischen 40 und 68 kDa liegt. KRT1 bis KRT8 werden zur neutral-basischen Typ-A-Subfamilie, KRT9 bis KRT20 zur sauren Typ-B-Subfamilie gezählt. Diese bilden paarweise in den Intermediärfilamenten einen Heterodimer-Komplex aus einem Typ-A- und einem Typ-B-Cytokeratin. Die Verteilungsmuster dieser Komplexe unterscheiden sich in verschiedenen epithelialen Zellen erheblich, sodass mit einem Antikörpernachweis gegen die Subtypen KRT1 bis KRT20 die Herkunft dieser Cytokeratine eingegrenzt werden kann. Dies macht man sich in der Medizin in der pathologischen Diagnostik zunutze, um die Herkunft von Tumormetastasen zu bestimmen. Mutationen in verschiedenen Keratin-Genen sind für eine Reihe seltener Erbkrankheiten (Ichthyose) verantwortlich.

A
(neutral-
basisch)
B
(sauer)
Vorkommen Pathologie
KRT1, KRT2 KRT9, KRT10 mehrschichtig-verhornendes Epithel (Epidermis) Ichthyosis hystrix Curth-Macklin; bullöse kongenitale ichthyosiforme Erythrodermie Brocq (EHK); keratosis palmoplantaris striata III; weitere Ichthyosen (BCIE; AEI; CRIE)
KRT3 KRT12 Hornhaut (Cornea) Korneale Dystrophie
KRT4 KRT13 mehrschichtig-unverhorntes Epithel Naevus spongiosus albus
KRT5 KRT14, KRT15 Basalzellen komplexer Epithelien sowie Myoepithelzellen Epidermolysis bullosa simplex; Dowling-Degos-Krankheit; Naegeli-Syndrom
KRT6A KRT16, KRT17 mehrschichtig-unverhorntes Plattenepithel, Proliferation Pachyonychia congenita; div. Nävus, Keratoderma
KRT7 KRT19 einschichtiges Epithel, luminale Drüsenzellen
KRT8 KRT18, KRT20 einschichtiges Epithel, luminale Drüsenzellen
Fingernägel eines Menschen

Ein Beispiel für ein β-Keratin ist das Fibroin oder Seidenprotein der Spinnennetze und der Seide. Im Unterschied zu den α- oder Cytokeratinen ist es kein intrazelluläres Strukturprotein, sondern ein Ausscheidungsprodukt der Spinndrüsen. Wegen seiner Faltblattstruktur ist es sehr viel weniger dehnbar als die helikal gebauten α-Keratine.

Ein Schottisches Hochlandrind, zu dessen typischen Merkmalen die langen Hörner gehören

Technische Verwendung

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Aus keratinhaltigen Naturstoffen werden L-Cystein, L-Tyrosin und andere proteinogene Aminosäuren im technischen Maßstab hergestellt. Dazu werden die Naturstoffe zuerst mit Salzsäure hydrolysiert. Das Hydrolysat wird mit Ammoniak neutralisiert. Die L-Aminosäuren werden dann aufgrund ihrer unterschiedlichen Löslichkeiten abgetrennt oder nach dem Prinzip der Ionenaustausch-Chromatographie isoliert.[2]

Verwendung finden Keratinprodukte (z. B. Schafwollvliese[3]) beim Abbau von Formaldehyd. Hier hat das deutsche Wollforschungsinstitut an der RWTH Aachen zusammen mit dem eco Institut Köln in langfristiger Forschungsarbeit den Nachweis erbracht, dass solche Produkte in der Lage sind, Formaldehyd aus der Raumluft zu entfernen. Formaldehydbelastete Kindergärten, Schulen und Privathäuser (viele Fertighäuser der 1970er- und 1980er-Jahre) wurden seit den 1990er Jahren auf diese Weise bereits saniert.[4][5]

Commons: Keratine – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Justin T. Jacob, Pierre A. Coulombe, Raymond Kwan, M. Bishr Omary: Types I and II Keratin Intermediate Filaments. In: Cold Spring Harbor Perspectives in Biology. Band 10, Nr. 4, 2. April 2018, ISSN 1943-0264, S. a018275, doi:10.1101/cshperspect.a018275, PMID 29610398, PMC 5880164 (freier Volltext).
  2. Bernd Hoppe, Jürgen Martens: Aminosäuren – Herstellung und Gewinnung. In: Chemie in unserer Zeit. 1984, Bd. 18, S. 73–86.
  3. Schafwolle-Dämmstoffe. Wecobis-Portal des BMI, abgerufen am 4. Dezember 2020.
  4. Robert Sweredjuk, Gabriele Wortmann, Gerd Zwiener, Fritz Doppelmayer: Schafwolle als reaktives Sorbens für Luftschadstoffe im Innenraum. (PDF; 201 kB).
  5. G. Wortmann, G. Zwiener, R. Sweredjiuk, F. Doppelmayer, F. J. Wortmann: Sorption of indoor air pollutants by sheep’s wool: Formaldehyde as an example. In: Proceedings of the International Wool Textile Organization. Report CTF 3, Florenz, Juni 1999.